David Afkham dirigiert Ligeti und Schostakowitsch

Die Dirigentenszene ist derzeit im Um- und Aufbruch - eine neue Generation junger Pultstars sorgt für frischen Wind bei den Traditionsorchestern, ob sie nun Gustavo Dudamel oder Robin Ticciati heißen, Andris Nelsons oder Yannick Nézet-Séguin.

Zu den jüngsten Anwärtern auf eine vielversprechende Dirigenten-Karriere gehört der 1983 in Freiburg geborene David Afkham. Der Bayerische Rundfunk hatte den richtigen Riecher und lud Afkham bereits 2010 zu einer Produktion mit den Bamberger Symphonikern ein. Afkham stammt aus einer hochmusikalischen Familie mit - wie der Nachname schon andeutet - väterlicherseits persischen Wurzeln: die Mutter Sängerin, die drei Schwestern Geigerinnen bzw. Pianistin, sein Bruder Micha seit 2004 Bratschist bei den Berliner Philharmonikern.

Debüt-CD

Auch David erfuhr früh eine fundierte musikalische Ausbildung, studierte Klavier in Freiburg und Dirigieren in Weimar. Während seiner Zeit als Stipendiat beim Amsterdamer Concertgebouw Orchester wurde Bernard Haitink zu Afkhams großem Mentor. Aufgrund seines Sieges bei der Londoner Donatella Flick Conducting Competition 2008 wurde Afkham dann Assistent von Valery Gergiev beim London Symphony Orchestra. Und auch seine nun vorliegende Debüt-CD basiert auf einem Wettbewerbs-Erfolg: Im letzten Jahr gewann Afkham den von den Salzburger Festspielen erstmals ausgelobten Young Conductors Award.

Viel Sinn für Klangdisposition

Es spricht für das Label Orfeo, in der traditionsreichen Serie mit hochkarätigen Festspiel-Dokumenten aus Salzburg nun auch einmal einem Newcomer eine Chance zu geben, indem man jetzt den Mitschnitt des Preisträgerkonzerts von 2010 aus der Felsenreitschule veröffentlichte. Und David Afkham nutzt seine Chance, zeigt am Pult des vor 25 Jahren von Claudio Abbado gegründeten Gustav Mahler Jugendorchesters, dem Afkham seit 2010 als Assistenzdirigent eng verbunden ist, was er kann - und das ist mehr als eine Talentprobe. Mit rhythmischer Prägnanz und viel Sinn für Klangdisposition gelingt Afkham eine beachtliche Interpretation der schwerblütigen und grell hochfahrenden Zehnten Symphonie von Dmitrij Schostakowitsch aus dem Jahr 1953, die im zweiten Satz als fratzenhaft verzerrtes Porträt des kurz zuvor verstorbenen Diktators Stalin zu lesen ist. Freilich kann Afkham auf die hinreißenden Bläser-Solisten des Gustav Mahler Jugendorchesters zählen.

Fein ausgehörte "Atmosphères"

Und dass für ihn und seine Generation zeitgenössische Musik ganz selbstverständlich dazugehört, bewies Afkham bei jenem umjubelten Salzburger Festspielkonzert mit einer fein ausgehörten Deutung der vorgeschalteten "Atmosphères" von György Ligeti - eine jener raffiniert registrierten, spektral aufgefächerten, suggestiv an- und abschwellenden Klangflächen-Kompositionen des ungarischen Komponisten, die längst zu Klassikern der Moderne avanciert sind.

Fridemann Leipold, www.br-online.de, 25.10.2011